I have a Dream!

Um nicht nur im täglichen Wettbewerb bestehen zu können sondern auch um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren muss man Ideen entwickeln und die wirklich großen Fördertöpfe anzapfen. Und diese schier unermesslichen Förderpötte gibt es bekanntlich nur bei der EU.

Unser Projekt: Entwicklung eines Massentransportmittel für Waren aller Art. Eine europäische Erfolgsgeschichte mit bahnbrechendem und zukunftsweisendem Charakter. (Bild)

Also einen kleinen Businessplan aufgestellt und einen Lobbyisten engagiert, der sich für unsere gemeinsame Sache stark macht. Ein Xing Netzwerk mit Experten gegründet und Marketingstrategien entwickelt. Unsere bescheidenen Budgetvorstellung frei nach dem Motto: THINK BIG, veranschlagen wir vorsichtig mit 12 Millionen €. Es kann doch nicht angehen, dass wir etwas aus der eigenen Tasche zahlen. Denn merke: wer viel fordert bekommt auch viel. Da unserer Provinzbank wo uns jeder kennt, völlig ungeeignet für diese Unternehmung ist, wir wollen ja bei Misslingen nicht als Looser dastehen und außerdem prüfen die immer so genau, brauchen wir einen größeren Player. Und da kommt uns das Instrument einer Anschubfinanzierung bei der EU gerade Recht. Das hat den charmanten und unschlagbaren Vorteil minimale Sicherheiten und kaum Eigenkapital zu benötigen. Dann noch ein bisschen Brainstorming und ein wenig Vorbereitung auf die penetranten Fragen, die von irgendwelchen Kommissionen kommen werden: Wo ist der Bedarf für das geplante Produkt? Wer will das wirklich, wer braucht das wirklich? Wie hoch ist der Leidensdruck der Betroffenen wirklich? Wäre die Sache nur ein „nice to have“, oder liefert das Produkt tatsächlich einen enormen Mehrwert für die zukünftigen Nutzer?  

Wenn das dann endlich geschafft ist, dann geht´s ans Geld abholen. Auch dafür ist unser Produkt ideal. Bescheiden wie wir sind nehmen wir dafür ein bereits in die Jahre gekommenes Vorgängermodell. Und die Rückzahlung unseres Darlehens wird nicht monatlich vereinbart, sondern haben wir mit 0,5% des Umsatzes vom Verkauf eines Produkts abhängig gemacht. Sind ja nicht blöd.

Zuerst bauen wir eine Forschungsabteilung auf, die Werkstoffe für unser Produkt entwickelt. Dann erfolgt die Materialauswahl. Ein schnöder Baustahl darf es natürlich nicht sein, sondern da muss schon was Besseres her. Und ok, Diversifikation und Nachhaltigkeit ist alles, so wird noch ein weiterer Werkstoff für die Trägerplatte entwickelt. Wer meint, dass solche nachträglichen Änderungen kostenlos sind, den müssen wir enttäuschen. Das geht natürlich ins Geld und dafür holt man sich selbstredend einen Nachschlag bei der nächsten Finanzierungsrunde.

Wie wir nun nach ein paar Monaten stolz feststellen können hat unsere Konstruktionsabteilung ganze Arbeit geleistet und am Reißbrett eine fantastische Lösung erarbeitet, die wir als Novum bei der internationalen Messe feierlich enthüllen können. Erste internationale Delegationen haben sich bereits schon zur Besichtigung angemeldet und man kann die Erwartungshaltung schon förmlich fühlen. Aber so einfach lassen wir die Katze nicht aus dem Sack. Unser Vorhaben ist top Secret, denn würden auch nur kleine Details an die Presse gelangen, hätten wir mit internationaler Industriespionage zu rechnen und dafür ist unsere IT einfach nicht ausgerüstet. Unser Erlkönig wäre enttarnt.

Dann ca. 2 Jahre später nach langer Vorbereitungszeit unzähligen Berichten in einschlägigen Fachzeitschriften ist es endlich soweit!

Zum Tag der ersten feierlichen Jungfernfahrt haben sich schon Minister, Staatssekretäre und Presse angekündigt. Verträge mit Spirituosenhändler und Caterer wurden abgeschlossen und die Medien und TV Anstalten feiern bereits überschwänglich das Produkt in der Hoffnung unser neues Produkt selbst einmal testen oder zumindest darüber berichten zu können.

Die neue Schubkarre!

Was sollen wir sagen. Das Produkt schlägt ein wie eine Bombe. Erste Bestellungen werden auf der Messe unterschrieben und es scheint ein riesen Erfolg zu werden. Leider stellt sich aber nach kurzer Zeit heraus, dass das Volumen überdimensioniert wurde und das Produkt bei nur halber Füllung unrentabel ist. Der Energieaufwand, den der Nutzer einsetzen muss ist einfach zu hoch. So kommt es zu ersten Stornierungen und letztlich zur Einstellung des Projekts. Darüber sind wir natürlich alle sehr traurig.

Shit happens!

Da wir eine Rückzahlung der Darlehen vom Verkauf unseres Produktes abhängig gemacht haben entstehen uns zumindest keine finanziellen Nachteile. Die hat der Steuerzahler. Der merkt es sowieso nicht. Und da wir im Frühjahr 2019 aus dem Unternehmen ausscheiden haben wir mit dem Aufsichtsrat des Unternehmens vorsorglich 2,9 Millionen Euro „Termination benefits“ für das Ausscheiden aus dem Projekt vereinbart. Sicher ist sicher.

Parallelen zur Luftfahrtindustrie sind rein zufällig und vom Ersteller keineswegs gewollt.

Martin Schotte

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