Der Innensenator der Hauptstadt stürmte mit hochrotem Kopf aus dem Sitzungssaal.
Markus ließ sich selbstverständlich nichts anmerken, doch sein Körper vibrierte vor Wut bis in die allerletzte Körperzelle.
Sie hatten ihn überstimmt.
Schon wieder.
Aber es war genug jetzt, er würde seine Familie nehmen und die Hauptstadt verlassen.
Der Süden der Republik würde ihnen noch eine Galgenfrist von einigen Jahren verschaffen, hatten sich doch die Invasoren auf die Übernahme der Hauptstadt konzentriert.
Es sei unsere Christenpflicht,
die Flüchtlinge aufzunehmen, die vor Krieg und Verfolgung durch die kriegerischen Barbaren den Weg in die Republik fanden – so hieß es bereits vor drei Generationen.
Und so nahmen wir sie auf,
mit offenen Armen.
Wir gaben ihnen Land, wird gaben ihnen Häuser und reichten den Fremden die Hand zur Teilhabe an unserer Gesellschaft.
Aber all das war den Gutmenschen, den Christen, deren hohe Moral an Fanatismus grenzte noch nicht genug, bei weitem nicht.
Vor dem Herrn Jesus sind alle Menschen gleich, gleich geboren, mit gleichen Rechten wie die Einheimischen.
Und so setzte ein Prozess ein,
der bereits von meinem Großvater auf das schärfste bekämpft worden war – wenn auch vergeblich.
Die fremden Einwanderer erhielten Zug um Zug die vollen Bürgerrechte, zuletzt gar das Wahlrecht, was uns heute in letzter Konsequenz unser Land kostet.
Denn es stellte sich heraus, dass mit wachsendem Wohlstand offenbar auch die Manneskraft unserer Männer schwand – und mit ihr auch unsere eigenen Kinder.
Ein Problem,
von dem die Fremden offenbar noch weit entfernt waren, denn in ihren isolierten Vierteln tummelten sich Heerscharen ihrer Kinder.
Jetzt, nur wenige Jahrzehnte nach ihrer Ankunft sind wir zur Minderheit im eigenen Land geworden.
Natürlich machen sie jetzt auch die Gesetze, stellen sie doch im Senat deutlich mehr als die Hälfte der Senatoren.
Aber den offenen Putsch,
so wie er heute stattfand, konnten sie nur wagen, weil auch die letzten Schaltstellen der Republik von ihnen besetzt wurden.
Begonnen hatte es, als uns vor wenigen Jahren klar wurde, dass die Besetzung offener Stellen in Armee und Polizei ganz gezielt mit Fremden erfolgte.
Mit der Armee hatten wir unser letztes Machtmittel verloren, denn ihr Oberbefehlshaber und die meisten Mannschaften waren Zuwanderer, treu dem eigenen Volk ergeben.
Odoaker,
so der Name des Oberbefehlshabers der Armee,
hatte heute die Unverfrorenheit besessen, sich in voller Montur vor den Senat zu stellen und die Absetzung des Staatsoberhauptes zu verkünden.
Natürlich nicht, ohne sich selbst zum neuen Regenten auszurufen.
Die Abstimmung war selbstverständlich eine Farce, stellen wir doch nur noch ein Drittel der Bevölkerung und des Parlamentes.
Und so ergeben wir uns ohnmächtig in unser Schicksal – eine andere Option bleibt uns nun nicht mehr.
Aber offenbar wollte mein Volk es so,
an warnenden Stimmen hätte es nicht gemangelt.
Vielleicht ist mein Volk zu alt und wünscht sich insgeheim nichts weiter als den eigenen Untergang.
Soll diese Republik doch brennen.
Rom, am siebten Juli des Jahres 476
Markus Kink
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